Freitag, 11. Dezember 2009

Von Berufswünschen und sonstigen Überraschungen

Heute muß es ja Astronaut sein. Fragt man die Jungs in den ersten Klassen der Grundschule nach ihren Berufswünschen werden heute schon recht interessante Berufsgruppen aufgezählt.
Astronaut ist eigentlich nur der Top-Job für die Technik-Freaks unter den 6 bis 7 jährigen Pimpfen. Aber auch der Bankmanager kommt ganz gut an. Die Begründung ist ebenso einfach wie fundiert: „die kriegen immer schön ihre Bonuszahlungen. Auch wenn sie alles falsch machen sollten“.
Was mit der Computerei zu tun hat, beschränkt sich in diesem Alter offenbar auf das Programmieren von Schieß-peng-bum-Spielen.

Zumindest lautet so zusammengefasst und komprimiert das Ergebnis einer Umfrage vor nicht allzu langer Zeit in einer Regionalzeitung aus dem Rhein-Main-Gebiet.
Ich will gar nicht behaupten, dass die Ziele vor etlichen Jahren bodenständiger gewesen wären. Da nahm der Pilot den ersten Rang ein. Und nach einer gewaltigen Lücke folgte dann irgendwann der Lokführer, Rennfahrer, Baggerführer auf den Plätzen.

Oh, es war ein grausiges Wetter, als ich zu einem Kunden in Tauberbischofsheim unterwegs war. Regen, was vom Himmel konnte. Ein Neufahrzeug auszuliefern stand auf dem Plan. Rückreise war mit der Deutschen Bahn geplant und verbesserte keineswegs meine Stimmung. Für die paar Kilometer sollte ich schließlich rund 4 Stunden mit diversen Bummelzügen unterwegs sein. Mit dem Auto braucht ich gerade einmal knapp über eine Stunde. Und außerdem: ich hatte Geburtstag.

Vielleicht fragen Sie sich schon jetzt, was das alles mit einander zu tun hat. Gemach, gemach.

Der Kunde war über sein Auto so erfreut, dass er zunächst einmal ein fettes Trinkgeld überreichte. „Danke, danke vielmals“, als gerade mein Handy mit einem schwungvollen Titel aus der Rock´n Roll – Ära auf sich aufmerksam macht. Ich entschuldigte kurz und nahm das Gespräch an. Ich musste mich dann doch für Geburtstagswünsche bedanken.

Das blieb dem stolzen Neuwagenbesitzer nicht verborgen und ich bejahte seine Frage nach „mei, hamms Geburtstag?“ Und außer den besten Wünschen gab´s noch eine Flasche.

Jetzt war es aber wirklich Zeit zu gehen. Oder besser zu fahren. Die heißersehnte Probefahrt mit dem neuen Boliden kam mir mit einer Fahrt zum Bahnhof sehr zu statten.

Da stand ich nun auf dem zugigen Bahnhof von Tauberbischofsheim. Keine Überdachung – aber zum Glück hatte der Regen völlig aufgehört. Sogar ein wenig blau kam durch die aufgerissenen Wolkendecke.

Mit mir warten 2 weitere Fahrgäste und eine handvoll Schulkinder. Es war laut auf dem Bahnsteig. Sehr ausgelassen hüpfte das Jungvolk durch die Gegend. Bis der Zug ziemlich pünktlich einfuhr. Bei den Kids brach Hektik aus. Offenbar hatten die Angst, die Sitzplätze würden in dem doppelten Triebwagen nicht ausreichen. Das jedoch stellte sich als unbegründet heraus. Es waren lediglich 6 Passagiere an Bord.

Bald schon setzte sich das Hybridfahrzeug in Bewegung. Ich suchte mir einen geeigneten Sitzplatz mit genügen Raum für lange Beine, große Füße, Jacke und Aktenkoffer. Ein neues Buch hatte ich für die sicher langweilige Rückreise vorsichtshalber genauso dabei, wie die Überlebensausrüstung bestehend aus Mineralwasser und Hustenbonbons.

Nach wenigen Minuten Lautsprecherdurchsage: „in wenigen Minuten erreichen wir XY, Bedarfshalt. Wenn Sie aussteigen möchten, bitte melden!“

Das war neu für mich. Es war kein Drücker da, wie man ihn aus Straßenbahnen oder Bussen kennt. Dafür war mir klar geworden, weshalb die Durchgangstür der beiden Wagen offen stand. Der Blick von ganz hinten bis nach vorne zum Lokführer war frei. Es meldete sich aber kein Fahrgast, der das Verlangen hatte an der kommenden Station auszusteigen. Die Fahrt verlangsamte sich dennoch, wurde aber nicht unterbrochen. Nach der Station wurde der Fahrhebel wieder nach vorne gedrückt und mit kaum merklicher Beschleunigung ging es hinauf in den Bereich der Reisegeschwindigkeit.

So nach der vierten oder fünften Station legte ich mein Buch aus der Hand und sah mich um. Es war ruhig geworden. Die wilden Kerle waren offenbar schon vorletzte Station ausgestiegen. Auch sonst hatte ich keine Mitfahrer mehr in dem zweiten Teil des Zuges. So reifte bei mir eine Idee und ich begab mich mit einem kleinen Digi-Foto auf den kurzen Weg noch Vorne. Auch dem vorderen Teil des Zuges waren die Fahrgäste ausgegangen. Eigentlich wollte ich, wenn es schon sein mußte, die Reise in vollen Zügen genießen. Nun war es ein leerer Zug. Das ist mein Zug.


Die Tür zum Führerstand stand offen. Der Schaffner (oder war es der Zugührer ?? Wie heißt er denn nun wirklich??) stand beim Lokführer und die beiden plauschten so über dies und das. „Klopf, klopf! Darf ich ´mal stören?“

„Ja sicher“, kam die freundliche Antwort zurück. „Kann ich helfen?“

„Da bin ich sicher“ entgegnete ich. „Ich würde Ihnen zu gerne für ein paar Minuten über die Schulter schauen, wenn ich darf. Und wenn es schon so ist, darf ich vielleicht auch fotografieren oder filmen?“

Ich durfte!

Vielleicht erinnern Sie sich an die Berufsziele der älteren Generation?

Den Wusch Pilot zu werden, hatte ich mir vor mehr als 30 Jahren selbst erfüllt. Da rückt doch automatisch der Lokführer im Stellenwert deutlich näher an den Piloten heran.

„So lange Sie möchten“!

Ich wollte es nicht strapazieren und filmte darauf los, was sich im Cockpit so abspielte. Es war nicht viel, was es rein fahrtechnisch zu beachten galt! Die Handgriffe waren recht simpel und das mit der Totmannschaltung hatte ich auch sofort durchschaut. Da war etwa genau so wenig zu tun, wie bei einem Airliner auf einem Interkontinentalflug. Die Durchsagen bei Bedarfshaltestellen entfielen, es war ja niemand mehr da, der hätte aussteigen können – außer mir. Und ich wollte noch nicht.

Eine wundervolle Fahrt mit reichlich Erklärung für Technik, Regeln und sogar für die wunderschöne Landschaft, durch die sich der Zug schlängelte. Mit 80 km/h exakt wurde die Strecke gemeistert. Vorbei an Burgen, entlang des Mains, durch enge Täler und dichte Wälder.

Ich möchte an dieser Stelle die Aufmerksamkeit der Leser nicht überbeanspruchen und beschreibe die landschaftliches Aspekte der überaus empfehlenswerte Tour gerne in einem separaten Anlauf.

Als dann Aschaffenburg als nächste und auch End-Station anstand, wurde es Zeit, die Fahrkarte kontrollieren zu lassen. Schnell die Klamotten wieder verstauen und mich bedanken. Das war toll. Zugführer ist nun also auch in meinem Repertoire. Als nächstes steht wohl die Astronautenausbildung an.

Schade dass die Fahrt nicht länger war. Eine Geburtstagsüberraschung. Wer hatte das nur arrangiert?

Danke!